Aus "Opa, wat seyn Flousen"

 

Et räänt

 

Opa ruht auf dem Sofa, Jensi langweilt sich und schaut aus dem Fenster.

 

Jensi: „Opa, et räänt.“   

 „Opa, es regnet.“

 

Opa (im Halbschlaf):

„Da looß et räänen.“

„Dann lass es regnen.“

 

Jensi: „Die Finster as at ganz betreppst.“

„Das Fenster ist schon ganz betropft.“ (In Platt ist das Fenster weiblich)

Opa: „Su lang dou net betreppst bass.“

„Solange du nicht betropft /betrübt bist.“

 

Jensi: „Die Stroß at och at naaß.“

“Die Straße ist auch schon nass.”

 

Opa: (immer noch schläfrig) „Dan steppt et och net.”

„Dann staubt es auch nicht.“

 

Jensi: „Opa, weile räänt et noch mie.“

„Opa, jetzt regnet es noch mehr/heftiger.“

 

Opa: „Dan brouch ich die Blomen at net zo geeßen.“

„Dann muss ich die Blumen auch nicht zu gießen.“

 

Jensi: „Unn dei Auto gett och naaß.“

„Und dein Auto wird auch nass.“

 

Opa: (leicht genervt) „Dan gettet at gewääsch!“

„Dann wird es schon gewaschen.“

 

Jensi: „Un dein Wäsch op der Lein gett noch ees gewääsch.“

„Und deine Wäsche auf der Leine wird noch einmal gewaschen.“

 

Opa (springt auf): „Oh maju, Jensi, wofier sääste dan neist?“

„Oh maju, Jensi, warum sagst du denn nichts.“

 

Jensi: „Eych sohn et doch die ganze Zeit.“

„Ich sag’s doch die ganze Zeit.“

 

 

 

 

 

Aus "Opa, wat seyn Noupen?"

 

Opa wandelte auf seine alten Tage nochmal auf Freiersfüßen. Er, der schon vor Jahren seine liebe Frau verloren hatte und sich oft allein fühlte, hätte selbst nicht gedacht, dass ihm so etwas noch einmal passieren könnte. Er war verliebt. Und auch wenn er sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter befand, war es bei ihm genauso, wie das bei Verliebten nun einmal so ist: er schwebte gerade ein wenig über den Wolken. Genau in diese Situation platzte Enkel Jensi eines Tages mit ein paar Fragen.

 

Jensi: "Opa, wat seyn Noupen?"

 

Opa: "Noupen!" (er überlegt, wie er dem Kind diesen alten Ausdruck erklären kann, den man mit "Gelüste" nicht ganz treffend übersetzt, der aber - genau wie dieses Wort - auch in so einigen Situationen angewendet wird).

"Also, Noupen, dat as, wenn ma Lost op eppes hot. Wenn dou zom Beispiel kreilisch Lost op Gummibärcher hoss. Dan gehst dou am ganzen Hous soochen unn dan genn dein Noupen immer grußer. Dan kreeßt dou su en Lost do drop, dan diets dou doch glatt bis bei deinen Opa kummen, weil dou weeß, data hei immer am Schrank seyn."

 

Gleichzeitig aber muss Opa daran denken, wie sein alter Onkel Hanni einmal gesagt hatte, wenn er seinen Blick nicht recht von einem schönen Frauenkörper abwenden konnte: "Et ass jo bessi gemein vom lewen Gott. Ähn helt eenem die Manneskraft, äwer die Noupen, die ließt ähn eenem."

Das erzählte er seinem Enkel natürlich nicht.

 

Jensi: "Opa, unn wat as et dan, wenn eenen dän Hower stecht?"

 

Opa: "Oh Jensi, dou frächs äwer och e Gescheer. Wenn eenen de Hower stecht.... also dat kimmt dovon: Pearder frääßen gear Hower. Unn dän Hower as och goot fier se. Äwer wenn man su em Peard zoviel Hower get, dan get et well, dan wiehert et unn springt wie gääkisch. Dan stecht et dän Hower. Unn monchmol sät ma dat och von Leyden, wenn se bessi gäkisch unn iwermedisch genn."

 

Jensi: (beguckt sich einen Opa skeptisch) "Hmm. Opa, unn wat as dän zweiten Frühling?"

 

Opa: "Oh Jensi, iwer su eppes moß dou dir noch keen Gedanken maachen."

 

Jensi: "Äwer dou? Soh Opa, wat as dat?"

 

Opa (denkt an seine Angebetete, verdreht die Augen und kommt ins Schwärmen)

"Hhmm, dän zweiten Frühling... dat as... wenn ma no langer Zeyt noch ees alles an de schienste Foarwen seht. Wenn eem die Schmetterlinge durch die Bouch fleejen, wenn man om leefsten singen diet unn wenn eenem ganz warm imt Herz gett."

 

Jensi schaut seinen Opa fragend an. Er kommt ihm ganz merkwürdig vor. Dann kommt Opa wieder zu sich und fragt nüchtern: "Jensi, nou soh ma noch eent. Wie kimmst dou nimmen op all die Ousdreck loh?"

 

Jensi: "Ei, die Tant Berta hot gesoot, dou hätts neierdings ganz schin Noupen. Papa hot gesoot, deych die dän Hower stäächen unn die Mama hot gemeent, dou diets den zweiten Frühling spieren. Unn du hot die Tant Berta gesoot, dat alles nimmen wjent su ner...

Ach jo, Opa..., wat as daan en aal Schrappnell????"  

 

 

 

    

 

Aus "Überwiegend heiter" Auf alles einen Reim gemacht:

 

 

An der Bar

 

(Männersicht)

 

Ramona hieß sie.

Rauchschwaden blies sie

mir ins Gesicht,

das mag ich nicht! 

 

Doch als ihre Hand dann

den Weg zu mir fand, Mann!

Und sie fragte: zu mir

oder lieber zur dir? 

 

war egal mir ihr Rauch-Hauch,

spürte Kribbeln im Bauch auch,

registrierte die Wink‘s

und bezahlte die Drinks. 

 

Dann schaut’ ich mich um stumm

und stand ziemlich dumm rum,

denn mit meinem Gepäck…

war sie schon weg. 

 

Rosi Nieder

 

 

 

 

Aus "Eifelluft":

 

 

 

Versteh nix

 

Oma Anita verstand die Welt nicht mehr. Ihr Bild von einer trauten Heimat, einem gewissen Stolz auf ihr Deutschland, das so viele  Dichter und Denker hervorgebracht hatte,  bekam immer mehr Risse. Was war passiert, dass man im eigenen Land immer öfter wie ein Ochs vor dem Berg stand und nur noch Bahnhof verstand? 

Wenn Anita die Zeitung las, musste sie immer häufiger das Fremdwörterlexikon oder das Englisch-Deutsch-Wörterbuch in die Hand nehmen, das ihr Sohn ihr geschenkt hatte. „Mama“, hatte er gesagt, „ohne Fremdsprache kommt man heute nicht mehr aus, vielleicht solltest du mal überlegen, ob du nicht noch in der Volkshochschule ein bisschen Englisch lernst.“ Anita war ja nicht blöd, aber mit zweiundsiebzig noch Englisch lernen? Nur weil die Deutschen so blöd waren, sich nicht mehr in Deutsch ausdrücken zu können? Nee. 

Das Leben wurde schwieriger. Mit ihren Enkelkindern eine Unterhaltung zu führen war ungefähr so, als würde sie sich mit Außerirdischen unterhalten. Sie sprachen in Abkürzungen oder in Englisch. Von DVDs, CDs, SMS, DSDS, PCs, von  Facebook, von Viren, Spam, Mailbox, W-Lan, Apps, Twitter, Google, Chats. Oder auch von Bachelors, Masters, WGs, Bafög, BM-Index und was nicht sonst noch alles. Und wenn Anita ungläubig den Kopf schüttelte, weil sie mal wieder überhaupt nicht wusste, wovon die Rede war, dann lachten sie. „Omachen“, sagten sie, „mach dir nichts draus. Die Welt verändert sich nun mal.“ 

Oh ja, das merkte Anita. Wenn sie in die Stadt fuhr, fielen ihr die zunehmend englisch klingenden Leuchtreklamen und Firmenschilder über den Geschäften auf. Shoes for you, Copy-Shop, Coffee-Lounge, Hairkiller, bookstore, Mac D und wie sie alle hießen, die Läden, die man als Unkundige erst betreten musste, um zu wissen, was sie verkaufen wollten. Nnein, Anita betrat solche Läden nicht. Höchstens wenn sie im Schaufenster etwas entdeckte, was ihr gefiel. 

Es gefiel ihr aber auch nicht, dass sogar dort an den Scheiben in roter oder weißer Farbe etwas aufgemalt war, was sie nicht verstand. 

„In der Koblenzer Straße machen sie wohl ein neues Geschäft auf“, erzählte sie gerade ihrer Schwiegertochter Karin, nachdem Opa Anton sie nach dem Einkaufsbummel in der Stadt dort abgesetzt hatte. „Das heißt Woff-Saale oder so ähnlich, steht am Schaufenster.“ 

Karin musste grinsen. „Schwiegermama, das ist kein neues Geschäft, das heißt Wow-Sale, ‚wau-sail‘ spricht man das, das heißt übersetzt... emm“, und dann musste Karin doch überlegen, wie sie das übersetzen sollte. „Sale, das ist so was wie Schlussverkauf und Wow, das sagt man so, als Steigerung, also das ist extra billig.“ 

„Hmm, wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich ja mal reingegangen. Aber warum steht da nicht Schlussverkauf?“ 

„Weil es eigentlich keinen Schlussverkauf mehr gibt. Das heißt, quasi schon, also die reduzieren die Klamotten und nennen das jetzt Sale.“ 

„Versteh ich nicht.“ 

„Ich auch nicht, Mutti.“ 

Kurt kam nach Hause, begrüßte seine Frau Karin mit einem kurzen Küsschen und wandte sich dann seiner Mutter zu. 

„Hallo Mama! Bist du alleine? Wo ist Papa?“ 

„Bei seinem alten Freund Bernd, wo sonst? Der holt mich gleich wieder ab. Die zwei machen Pläne für… ach, irgend so etwas fürs Auto. Keine richtige Garage, nur…“ 

„Ein Carport.“ 

„Genau.“ 

„Ach ja, da fällt mir ein“, richtete sich Kurt an seine Frau, „der Max, mein Kollege, hatte uns ja zum Outdor-Dining eingeladen, das ist gecancelt. Der hat Burnout. Also weißt du, die Leute mit solchen Patchwork-Familien haben es aber auch echt schwer.“ 

„Oh je, der Arme“, antwortete Karin, „ich habe seine neue Frau kürzlich beim Shoppen getroffen. Phh, die trägt aber auch nur Designer-Klamotten, immer das modernste Outfit, die Haare gestylt, Anti-Aging-Cremes im Gesicht, wenn die nicht sogar schon geliftet ist!“ 

„Tja, er hat mir erzählt, sie hätten jetzt einen Last-minute-Flug gebucht mit irgendeiner Billig-Airline, sie wollen in einem All-inclusiv-Hotel Wellness-Urlaub machen.“ 

Anita sperrte Mund und Augen auf. Dass die jugendlichen Enkelkinder so redeten, das war ihr ja bekannt, aber jetzt fingen deren Eltern auch noch an mit diesen ganzen Ausdrücken. 

„Kurt!“ schalt sie, „es geht mich ja nichts an, was du mit deiner Frau redest, aber musst du unbedingt auch so ausländisch reden wie deine Kinder?“ 

„Wieso, was habe ich denn gesagt?“ 

„Ha, das weiß ich eben nicht.“ 

Für einen kurzen Moment lang wirkten Kurt und Karin irritiert und beide überlegten, was genau sie denn gesagt hatten. Und sie stellten fest, dass ihnen so einige Anglizismen schon gar nicht mehr als solche vorkamen, weil sie schon fest in ihren Sprachgebrauch eingebunden waren. 

„Hast ja Recht, Mama. Wenn wir mit dir sprechen, werden wir darauf achten, versprochen!“ 

Opa Anton fuhr gerade mit dem Auto vor, als Enkel Tom vom Fahrrad stieg. Gemeinsam betraten sie das Haus. Als Anton seinen Enkel so nah vor sich sah, erschrak er. 

„Ach du liebe Zeit, Tom! Sag bloß, dir haben sie jetzt auch so’n Ring durch die Nase gezogen, wie früher bei den Stieren.“ 

„Psscht…, sag Oma nichts, vielleicht sieht sie es ja nicht.“ 

„Die sieht alles.“ 

„Aber wenn sie ihre Brille nicht anhat?“ 

„Glaub mir, dann riecht sie es.“ 

Im Wohnzimmer fiel dann auch tatsächlich Oma Anita fast in Ohnmacht. Sie trug ihre Brille. „Junge, wie kannst du dir so was antun?“ 

„Du meinst, dir? - Oma, das ist cool! Das ist ein echter Eyecatcher.“ 

„Ei…was? Das ist ein Ring durch die Nase. Wie bei den Wilden im Urwald. Oh Gott, Tom!“ 

„Wilde im Urwald? Oma, das ist Diskriminierung! Man darf ja jetzt nicht einmal mehr Neger sagen, schon gar nicht Wilde.“ 

„Genau, und Mohrenköpfe isst man auch nicht mehr, das sind Schaumküsse“, ergänzte Kurt. 

„Was? Ein deutsches Wort? Ich glaub‘ es nicht.“ Anita war baff. 

Das Thema Nasenring hatte natürlich auch bei Kurt und Karin für ziemlich lange Diskussionen gesorgt und war immer noch nicht vom Tisch. Aber Kurt wollte sich nicht vorwerfen lassen, ein gänzlich hinterwäldlerischer und altmodischer Vater zu sein und Karin war in den Jahren mit ihren pubertierenden Kindern äußerst leidensfähig geworden. 

„So ein Piercing finde ich nicht so schlimm wie solche riesigen Tattoos“, sagte sie deshalb, „so einen Ring kann man wenigstens wieder ausziehen.“ 

„Aber … dann hat man ja ein Loch in der Nase“, schniefte Anita, „iihh.“ 

Kein Wunder, dass Tom sich so schnell wie möglich verziehen wollte. „Ich muss dringend meine Mails checken, sorry… ach ja, Mama, die Tina hat nen neuen Lover, hat sie auf FB gepostet, mein Schwesterherz. Und sie hat schon 87 Likes.“ 

„Was? Likes? Was ist das denn?“ Nun musste aber auch Karin  passen. 

„Gefällt mir, auf Facebook!“ Für Tom war es unbegreiflich, dass die Eltern immer noch nichts checkten. 

Anita kam sich vor, als sei sie sie selbst eine Außerirdische. Sie saß auf dem bequemen Sessel, den Kurt Relax-Liege nannte, trank einen Kaffee, den Karin ihr als Latte macchiato ans Herz gelegt hatte, hörte im Hintergrund das Geräusch der vorbeiführenden Straße, das Tom als Sound of the street bezeichnen würde. Sie trug Schuhe, die im Laden als Sneakers ausgezeichnet waren, einen Pulli, der Shirt hieß und ein Seidentuch, das man unter Accessoires finden konnte. Sie saß dort und schnappte nach Luft und überlegte, welchen Ausdruck man sich dafür wohl einfallen ließe. Und dann sagte die sonst so feine alte Dame: 

„Ich finde es einfach beschissen, dass unsere schöne Sprache so verhunzt wird.“

 

 

 

"Es kribbelt so schön":

 

Inhalt: 

Das Kribbeln im Bauch, Herzklopfen, Verliebtsein. Bei Marlene sind es Maikäfer, die dafür sorgen und ihr Gefühlsleben hin und wieder heftig durcheinander wirbeln – und Männer natürlich. In amüsantem, liebenswertem Stil erzählt sie ihre Liebesgeschichte (n). Aber auch von Familienbande, Freundschaft und Heimatgefühlen. Vom Eifeler Landleben, von Tante Franziskas Kartoffelsuppe, Onkel Johanns DK Wupptich, von ihrer schrecklichen schwäbischen Schwiegermutter und davon, wie sich Gefühle und Sichtweisen mit der Zeit verändern.

 

„Dat Marlene get noch en aal Juffer“ jammerte Tante Agnes, die selbst eine war…

 

 

Ausschnitt, Szene aus Marlenes Jugendzeit in den 60-er Jahren:

 

   Liebesabenteuer, erste intensivere Küsse, Herumknutscherei während Tanzpausen, im Kino oder in Autos. Flirts, Herzklopfen, aber auch Enttäuschungen, Tränen und Wut. Das alles waren ganz normale Jugenderfahrungen. All das war es nicht wert, unter dem Wort Liebe abgespeichert zu werden. Nur das, was dann kam, das war etwas ganz anderes.

   Er hieß Jakob. Seine Freunde nannten ihn Jack, denn zu der Zeit schwappten Sprache, Musik, Tänze, Mode und sämtliche anderen Wellen von Amerika zu uns herüber. Wir jungen Leute übernahmen nicht nur die ersten Anglizismen, wir waren einfach 'in', wenn wir unsere Namen verenglischten und unsere Reden mit möglichst vielen Fremdwörtern spickten. Es war kurz vor meinem Abi und ich saß mit ein paar Klassenkameradinnen in der neuen Frittenbude in der Nähe des Bahnhofs. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Zeit für solche Kinkerlitzchen wie Verlieben, Maikäferkrabbeln und Herzklopfen. Ich musste pauken. Besonders in Mathe hatte ich noch so einiges nachzuholen, was ich hatte schleifen lassen. Ausgerechnet da lief mir Jack über den Weg.

   Ich piekste gerade ein Stäbchen in eine dieser köstlichen Pommes frites (die viele Leute damals auch genauso aussprachen) und tunkte sie in Mayonnaise, als er an unserem Tisch vorbeiging. Er zog einen Hauch von Tabac Eau de Cologne hinter sich her, der jedoch rasch wieder von dem Fettgeruch der Hähnchen und Fritten übertüncht wurde. Als er sich mit dem Gesicht in meine Richtung an einem der Nachbartische niederließ, fiel mir gleich seine überwältigende Schönheit auf. Im Grunde hatte man als Abiturientin gegen Ende der 60-er eher von Hippies, langen Haaren und vergammelten Klamotten zu schwärmen als von Bürohengsten in Anzügen. Doch diese unbekannte Mann dort mir gegenüber hatte etwas, was mich auf den ersten Blick in seinen Bann zog. Später habe ich mich oft gefragt, ob es die Ähnlichkeit mit John Lennon war (außer der Frisur), die mich die ganze Zeit zu ihm hinschauen ließ. Schließlich hatte ich mir von meinem viel zu knappen Taschengeld schon drei Langspielplatten von den Beatles gekauft und 'Yesterday' konnte ich schon auswendig. Ich fiel zwar nicht in Ohnmacht, war aber von den Filzköpfen genauso begeistert wie all die Fans, die sie bejubelten.

   Auf jeden Fall muss ich in diesem Moment auch irgendwie geistig weggetreten gewesen sein, denn Evi, meine Mitschülerin, stupste mich plötzlich in die Seite und sagte: "He Marlene, glotz nicht so! Dir fallen ja gleich die Augen aus dem Kopf." Sie hatte Recht. Das war mir noch nie passiert. Ja klar hatte ich schon mal einem Typen schöne Augen gemacht, hatte bewusst oder unbewusst meine weiblichen Waffen eingesetzt, aber noch nie bei so einem Anzugtyp. Schnieke, herausgeputzt, gepflegt, duftend, selbstbewusst.

   Als sich unsere Clique irgendwann aufmachte, um zum Bus zu gehen, konnte ich mich nicht zurückhalten, ihm im Hinausgehen noch einen langen Blick zuzuwerfen. Vielsagend, sehnsüchtig, bewundernd? Ich weiß nicht, was er selbst hinein interpretierte. Immerhin schaute er auch zu mir her. Hellblaue Augen hatte er. Ich hatte den Eindruck, ich blicke in einen Maienhimmel. Und ich hörte ein Schwirren, ein Brummen, spürte ein erstes heftiges Kribbeln.